Lou ist seit vier Monaten Mitglied im Berliner Schwimmteam, einer integrativen Trainingsgruppe für paralympisches Schwimmen. Mit seiner ataktischen Bewegungsstörung sowie Schwerhörigkeit ist er in dieser Gruppe perfekt aufgehoben. Betreut wird er hier durch den Para-Landestrainer Marcus Borsdorf, der sich um die Spitze des Berliner Paraschwimmens vom Nachwuchs- bis zum Leistungssport kümmert.
Doch wie hat er es bis dorthin geschafft und welche Rolle spielte BERLIN HAT TALENT dabei? Das und noch vieles mehr haben uns Lou und seine Mutter Andrea in einem Interview erzählt.
Portrait
Name: Lou
Alter: 11 Jahre
Hobbys: Schwimmen, Tauchen, Boxen, Minecraft
Nach einer 3 ½‑stündigen Trainingseinheit, inklusive Trockentraining, kommt uns Lou in der Schwimmhalle im Europasportpark mit einem breiten Grinsen entgegen. Er zeigt keine Spur von Müdigkeit, strotzt nur so vor Energie. Seine Mutter Andrea hat uns schon berichtet, wie aufgeregt er vor dem Interview war. Sie begleitet ihn drei Mal in der Woche zum Training.
Von seiner Aufregung bemerken wir im Gespräch allerdings nichts, hier wirkt er fast schon wie ein Profi: Locker, humorvoll und immer für einen kessen Spruch zu haben.
Warst du schon mal Mitglied in einem Sportverein?
Das erste Mal in einem Schwimmverein bin ich hier. Davor habe ich das Boxen ausprobiert. Das hat aber nicht geklappt, Boxen war mir zu hart. Damals war ich noch jünger und meine Haut war empfindlicher.
Was gefällt dir besonders gut am Schwimmsport und beim Schwimmtraining mit Marcus?
Sehr gerne mache ich die Übungen mit den Froschbeinen. Am liebsten mag ich aber das Freistilschwimmen. Besonders gefällt mir dabei das Kraulen.
Beim Trockentraining machen wir Übungen mit unserem Körper oder an Geräten. Z. B. üben wir Sprünge, Handstände, Räder oder Purzelbäume. Außerdem machen wir auch Reaktionsspiele mit Lichtern.
Schwimmen ist auch sehr hart. In der Regel sind drei bis vier Trainer vor Ort, bei Marcus ist das Schwimmtraining ein bisschen härter als bei den anderen. Das ist aber gut, so bekommt man viele Muskeln.
Wie hat sich dein Leben verändert, seitdem du regelmäßig zum Schwimmtraining gehst?
Immer nach dem Schwimmen bin ich total platt. Am nächsten Tag fühle ich mich dafür umso stärker. Seitdem ich beim Schwimmen bin, fühle ich mich allgemein fitter, bin ausgeglichener und besser drauf.
Was denken deine Lehrer, Mitschüler und Familienmitglieder darüber, dass du Schwimmer bist?
Meine Mama, mein Papa und alle Trainer finden es cool, dass ich jetzt beim Schwimmen bin. Was meine Geschwister darüber denken, dass ich jetzt schwimme, weiß ich gar nicht. Ich glaube für sie ist das ziemlich normal.
Hast du ein Vorbild im Schwimmen?
Ich glaube eher nicht, da fällt mir keiner ein. The Rock finde ich krass, auch wenn mein Zimmer nicht voll mit seinen Postern ist. Einen Sportler oder Schwimmer habe ich nicht als Vorbild.
Was war dein bisher größter Erfolg im Schwimmen?
Als wir das Seepferchen gemacht haben im Schulsport habe ich den 2. Platz geschafft!
Auch Lou’s Mutter Andrea haben wir nach seinem Weg in den Schwimmsport und die Auswirkungen auf das Familienleben befragt. Sie berichtet uns von der herausfordernden Suche nach einem Sportangebot und wie glücklich sie darüber ist, dass Lou endlich einen passenden Sportverein gefunden hat.
Wie bist du auf das Berliner Schwimmteam aufmerksam geworden?
Ich habe mich beim Landessportbund erkundigt, ob es inklusive Sportangebote im Schwimmen gibt. Der Weg bis hierhin war schwer und sehr aufwendig. Ich hatte mir sogar eine Excel-Liste angelegt, um nachvollziehen zu können, bei welchen Vereinen ich schon überall angefragt hatte und ob ich eine Antwort erhalten habe oder nicht. Entweder war gar keine Aufnahme möglich oder die durchschnittliche Wartezeit für einen Platz in einem Schwimmteam wurde mit drei Jahren angegeben. Dabei habe ich nur nach einem Platz zum Schwimmen für meinen Sohn gesucht und habe noch gar nicht erwähnt, dass er eigentlich ein inklusiv ausgerichtetes Schwimmangebot benötigt. Weil wir aber noch nicht einmal einen Termin zu einem Schnuppertermin bekommen haben, kam dies gar nicht zur Sprache.
Wie hat BERLIN HAT TALENT dir und Lou geholfen, die richtige Sportart für ihn zu finden?
Lou war zum Inklusiven Sportfest von BERLIN HAT TALENT eingeladen, bei dem man verschiedene Sportarten ausprobieren konnte. Wir waren an dem Tag schon drauf und dran dorthin zu fahren. Aber Lou wollte dann doch nicht hingehen. Er sagt selbst: „Ich dachte vielleicht, dass das zu schwer wird für mich“.
Erst mit der Unterstützung von Marie vom Landessportbund (Inklusionsnetzwerkerin im Programmteam BERLIN HAT TALENT) lief auf einmal alles einfach und unkompliziert. Sie hat mich mit Marcus Borsdorf vom Berliner Schwimmteam vernetzt.
Wie hat sich euer Leben verändert, seitdem Lou regelmäßig im Sportverein schwimmt?
Ich finde, dass es Lou total gut tut. Seit er Sport treibt und sich auspowern kann, scheint er mir viel zufriedener zu sein. Er wird immer stärker und kräftiger und macht zu Hause sogar zusätzlich Übungen wie z. B. Liegestütze. Dadurch hat er ein richtig gutes Gefühl für seinen Körper bekommen. Ich habe das Gefühl, dass es ihn rundum strahlender macht.
Was hat Lou bisher daran gehindert, regelmäßig Sport in einem Sportverein zu treiben?
Wir haben immer wieder versucht etwas passendes zu finden, z. B. Fußball, Parkour, Boxen oder Turnen. Aber am Ende hat es nie geklappt. Zum zweiten Trainingstermin wollte er dann nicht wieder hingehen. Es war für Lou sehr anstrengend, sich in die Gruppen einzufügen und schnell die Regeln zu verstehen. In der Regel kamen 20 Kinder oder mehr auf einen Übungsleiter. Da blieb keine Zeit, sich nochmal extra Zeit für einzelne Kinder zu nehmen. Entweder funktioniert man dann in diesem Gefüge oder nicht. Ich glaube, die anderen Kinder waren auch schon weiter fortgeschritten. Dann ist es schwierig, später einzusteigen und diesen Rückstand wettzumachen.
Was empfiehlst du anderen Eltern von Kindern, die noch auf der Suche nach ihrer Lieblingssportart und einem passenden Verein sind?
Für uns ist es so super gelaufen über euch (*die Inklusionsnetzwerker*innen im Programm BERLIN HAT TALENT) zu gehen. Ich weiß gar nicht, wie ich sonst den Kontakt gefunden hätte, wenn ich nicht die Infos von euch bekommen hätte. Im Anschluss an Lou’s Teilnahme am Deutschen Motorik-Test hattet ihr ihn zum TalentTag Parasport eingeladen, was uns sehr freute. Ich hatte zuvor viel im Internet nach inklusiven Angeboten gesucht – wirklich fündig wurde ich aber nicht. So problemlos wie über das Programm BHT ist es noch nie gelaufen. Im Nachhinein ist der Weg total logisch, dass die Vermittlung in einen Sportverein über euch Netzwerker laufen sollte. Anstatt erst zu schauen, welche Sportart Lou interessiert und dann selbstständig zu versuchen ein passendes Angebot zu finden, ist es sinnvoller zunächst beim LSB anzufragen.
Wir sagen danke an Lou und Andrea für dieses herzliche und interessante Gespräch! Dass Lou seine Lieblingssportart entdeckt hat, macht uns sehr glücklich und stolz.
Wir bestellen schöne Grüße an Marcus Borsdorf und das Berliner Schwimmteam, die sich nun weiter um die Forderung und Förderung des talentierten Lou kümmern werden.