Am 04. Juli stand die letzte Testung im Rahmen des Deutschen Motorik-Tests (DMT) im Schuljahr 2023/24 an, und zwar in der Ernst-Adolf-Eschke-Schule für Gehörlose. Wie gewohnt unterstützten die Inklusionsmitarbeiter*innen von BERLIN HAT TALENT die Testungen im Förderzentrum und nutzten an diesem Tag die Gelegenheit, ein Interview mit Johannes zu führen.
Johannes kannten wir schon seit dem letzten Jahr, als seine Klasse als erste Gruppe am DMT teilgenommen hat. Schon beim Warmlaufen wurde sichtbar, wie sich der sportinteressierte Junge entwickelt hat. Er ist gewachsen, nicht nur in die Höhe! Vor allem innerlich! Seine Ausstrahlung hat sich verändert – er strotzt vor Selbstsicherheit und Stärke. Johannes Sos ist zwar der Klassenjüngste, aber mit Abstand der Kräftigste. Seine strammen Oberschenkel und das breite Kreuz lassen erahnen, welchem Sport er sich seit einigen Monaten mit großer Leidenschaft widmet. Doch der Reihe nach.
Johannes hat im Schuljahr 2022/23 am DMT teilgenommen und wurde anschließend zum TalentTag Parasport eingeladen. Dort konnte er verschiedene inklusive Sportangebote kennenlernen und ausprobieren, darunter z. B. Schwimmen, Leichtathletik, Tischtennis, Boccia oder Fußball ID. Genauso bestand das Ziel der Veranstaltung darin, Kontakte zwischen den Trainer*innen der Sportvereine und den Eltern bzw. Kindern zu knüpfen.
Sowohl beim DMT als auch beim TalentTag äußerte Johannes immer wieder den Wunsch, BMX fahren zu wollen. Auf kurzem Wege stellten Marie und Erik als Inklusionsnetzwerker*innen des LSB den Kontakt zu Jan Bekurtz, Landestrainer BMX, her.
Als einziger Gehörloser unter Hörenden absolvierte er einige Trainingseinheiten beim BMX. Das Training für die Kinder beginnt schon sehr früh am Nachmittag, um 14:30 Uhr. Dies war für ihn und seine Familie immer schwieriger einzurichten, weil er eigentlich bis 16:00 eine Ganztagsschule besucht.
Beim TalentTag Parasport 2023 tat sich aber noch ein anderer wegweisender Kontakt für Johannes auf. Landestrainer Para-Schwimmen Marcus Borsdorf war begeistert von dem Jungen und tauschte direkt die Kontaktdaten mit Johannes‘ Mutter aus. Es dauerte nicht lange, bis Johannes zum Schwimmtraining ging und im Schwimmsport eine neue Leidenschaft für sich entdeckte. Die Begeisterung für das Schwimmen liegt wohl in der Familie: Auch der gehörlose Cousin Emanuel aus Polen ist Schwimmer und zugleich Johannes‘ Idol.
Von bis zu vier Trainingseinheiten bei den „Hörenden“ und einem Schwimmtraining für Gehörlose pro Woche berichtet uns der ehrgeizige Junge mit polnischen Wurzeln. Während beim Schwimmtraining für Gehörlose eher spielerische Elemente im Vordergrund stehen, beschreibt Johannes das Training beim Berliner Schwimmteam als besonders intensiv und anstrengend. Das Training bei Marcus findet er zwar hart, trotzdem macht es ihm viel Spaß. Die perfekte Mischung, um Kinder langfristig für die Sportart zu begeistern! Ganz besonders gefällt Johannes die Abwechslung im Hinblick auf Marcus’ Trainingsgestaltung: Neben dem Krafttraining gibt es Einheiten mit Schwimmflossen, kleine Wettkämpfe aber auch Spielformen. Und auch in der Kommunikation passt sich der Para-Landestrainer seinen Schützlingen an. „Marcus kann z. B. schon „30 Sekunden“ gebärden“, sagt Johannes mit einem verschmitzten Grinsen.
Zum Abschluss wollen wir noch wissen, was seine größten Erfolge im Schwimmen waren und was er gerne erreichen möchte. Mit leuchtenden Augen erzählt er uns daraufhin von den zwei Schwimmwettkämpfen für Gehörlose in Frankental und Zwickau. Bei beiden Wettkämpfen konnte er Medaillen gewinnen, in Zwickau sogar fünf an der Zahl! Sein großes Ziel ist es, eines Tages auch an internationalen Wettkämpfen im Gehörlosenschwimmen teilzunehmen.
Johannes‘ Lehrerin, Peggy Bührmann, die freundlicherweise für uns als Dolmetscherin fungierte, sagt am Ende des Interviews einen Satz, der uns in unserer Arbeit als Inklusionsnetzwerker*innen bestärkt und auch ein wenig Stolz macht: „Wärt ihr nicht dagewesen, wäre kein Kontakt zu Marcus entstanden und Johannes wäre auch nicht im Schwimmverein gelandet!“
Das Beispiel von Johannes verdeutlicht eindrucksvoll die Kraft des Sports und die Wirksamkeit von kooperativer Vernetzung zwischen Schule und Verein.