LSB-Tagung über Folgen der Corona-Maßnahmen für Kinder und Jugendliche und wie die Probleme bewältigt werden können.
Der Zeitpunkt war Zufall, passte aber perfekt: Während der Bundestag am 21. April über Folgen der Corona-Maßnahmen für Kinder und Jugendliche beriet, veranstaltete der LSB genau zeitgleich seine Fachtagung „Mit Bewegung aus der Krise“ . Mehr als 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden unter den Nachwirkungen der Pandemie, haben psychische Probleme und motorische Defizite. Zu diesem Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe aus mehreren Ministerien. Während ihr Bericht an jenem Freitag im Bundestag Thema war, diskutierte der LSB ein paar Kilometer weiter im Centre Francais de Berlin mit rund 200 Vertreter*innen aus Sportvereinen, und — verbänden, Politik, Bildung und Wissenschaft eine Antwort darauf, wie diese Probleme bewältigt werden können.
LSB-Tagung mit 200 Vertreter*innen aus Sport, Politik, Bildung und Wissenschaft
Zum Beispiel mit mehr Bewegung im Alltag. Bewährte Möglichkeiten dafür gibt es jetzt schon viele. Sie müssen weiter verbessert und noch besser genutzt werden. Das wurde während der Tagung erneut sehr schnell deutlich: regelmäßiger Sportunterricht mit qualifiziertem Fachpersonal, bewegter Unterricht, bewegte Pausen, Vereinskooperationen mit Kitas und Schulen, die der LSB seit über 25 Jahren fördert, Sport-AGs in Ganztagsschulen. So berichtete zum Beispiel Henning Harnisch von ALBA Berlin über die „Tägliche Sportstunde“, Stefanie Nowatzke von der LSB-Kita-Trägergesellschaft „Kinder in Bewegung“ gGmbH über die frühkindliche Bewegungserziehung und Lydia Dahlke von der Gesellschaft für Sport und Jugendsozialarbeit über niedrigschwellige Angebote.
In den Talkrunden und Workshops kam aber auch zur Sprache, warum Dinge, die einfach scheinen, oft schwierig umzusetzen sind. Das größte Problem sind mangelnde und marode Sportstätten – nach wie vor. Im Oberstufenzentrum KFZ-Technik Berlin gibt es zum Beispiel keine Sporthalle und der Weg zur nächsten Halle sei zu weit, berichtete Schulleiter Ronald Rahmig. „Es gibt quasi keinen Sportunterricht an unserer Schule“, sagte er. „Wir haben Tischtennisplatten und wollen einen Basketballkorb anbringen. „Das war’s“, beschreibt er die Lage. „Sport wird in den privaten Bereich verlagert. Die Verbindlichkeit ist nicht da. Sport ist nur ein Angebot, das man annehmen kann oder nicht.“ Er möchte aber, dass Jugendliche Sport als Mittel zur Gesunderhaltung für die nächsten 80 Jahre begreifen. Sportvereine sind für ihn eine sinnvolle Ergänzung und Unterstützung, „aber die Kernaufgabe liegt bei uns in der Schule, wo es eben krankt am Sportunterricht“, so sein Fazit. Tillmann Wormuth, Schulsportreferent des Landes Berlin, berichtete von der Berliner Schulbau-Offensive. Damit soll der Sanierungsstau an den Schulen weiter abgebaut und neue Schulen errichtet werden. Damit entstehen auch neue Sporthallen. „Rund 400 neue Hallenteile, das ist ein gutes Zeichen, aber das dauert noch”, so Tillmann Wormuth.
Aber viel Zeit bleibt nicht mehr, um die Folgen der Corona-Maßnahmen für Kinder und Jugendliche einzudämmen. Sonst sind sie unumkehrbar. Darauf wies Dr. Marco Wehr, Physiker, Philosoph,Tänzer und Buchautor in seinem Impulsreferat hin: „Was hat der Kopf mit dem Körper zu tun? Weshalb Bewegung für alle Menschen so wichtig ist.” Er sagte: „Der Körper muss geschult werden.” Sport sei die Modellsituation per se für soziale Interaktion. „Nichts gegen Filme oder TV – aber in Maßen. Dann sollen Kinder lieber in den Verein gehen und mit anderen Sport machen.”
Aber bei der Vielfalt der Möglichkeiten in einer Großstadt wie Berlin sind Wege in die Sportvereine nicht selbstverständlich. Darauf machte Christian Krull aufmerksam, Vorsitzender der Sportjugend Berlin. „Deshalb wollen wir nach neuen Möglichkeiten suchen, wie wir für die Vereine werben.” Wichtig sei dabei vor allem die Vernetzung – auf allen Ebenen”, betonte Irene Schucht, LSB-Vizepräsidentin für Bildung und Wissenschaft.
Für LSB-Präsident Thomas Härtel steht fest: „Solche Veranstaltungen müssen wir öfter wiederholen – in einem partnerschaftlichen Verhältnis. Es gilt: Kinder so früh wie möglich in Bewegung zu bringen.” Er zitierte er aus der Süddeutschen Zeitung. Iris Schüller von der Sportfakultät der Technischen Universität München antwortete dort in dem Interview „Sport ist das wichtigste Schulfach” auf die Frage „Warum ist Sport so ein gutes Feld, um Kompetenzen wie Fairness, Kooperation und Selbstkompetenz zu erlernen?”: „Weil es eine spielerische und wettkämpferische soziale Interaktion gibt. Im Mathe-Unterricht sitzen die Kinder nebeneinander. Da ist die Interaktion beschränkt.”
Foto-Credit: Christian Schneider, S.I.